[1. Was sind Zikaden?]
[3. Bedeutung, Gefährdung & Schutz]
2. Biologie & Ökologie der Zikaden
Durch Anklicken der Fotos erhalten Sie einen Überblick über einige charakteristische Zikadenarten.
Entwicklung
Unser prominentester Vertreter der Zikaden ist wohl die Wiesenschaumzikade. Den sogenannten Kuckuckspeichel
haben die meisten sicherlich schon als Kind wahrgenommen. Die erwachsenen Schaumzikaden legen ein
Ei in einen Grashalm. Die daraus schlüpfende Larve produziert den "Speichel" selbst. Es
handelt sich dabei um Schaumbläschen, die durch Einblasen von Luft in die eiweißhaltige Kotflüssigkeit
der Larven entstehen. Der Schaum schützt die darin sitzende Larve vor Feinden und erhält die für die
Weiterentwicklung nötige Feuchtigkeit und Temperatur.
Zikaden vollziehen eine unvollständige Verwandlung vom Ei über die Larve direkt (ohne Puppenstadium)
zum Vollinsekt (Imago), das heißt, sie sind hemimetabol. Die Entwicklung erfolgt meist über fünf Larvenstadien,
wobei die Dauer bei den verschiedenen Arten sehr unterschiedlich sein kann.
Manche Arten benötigen etwa eine Woche andere Arten brauchen Jahre. Die längste Entwicklungszeit weist die
amerikanische Siebzehnjahr-Zikade auf. Sie verlässt nach genau 17 Jahren ihr unterirdisches Versteck,
um einen Sommer lang auf Erden zu wandeln und Hochzeit zu halten.
Warum sie erst nach 17 Jahren aus ihrem unterirdischen Versteck krabbelt,
hat ein chilenisch-deutsches Forscherteam herausgefunden.
13 und 17 ist eine Primzahl. Da ihre Feinde und Konkurrenten meist in 2-, 4- oder 6-Jahres-Rhythmen
leben, können die Zikaden ihre Überlebenschancen steigern indem sie sich in den "geburtenschwachen"
Jahrgängen ihrer Fressfeinde fortpflanzen.
Mehr zur Siebtzehnjahr-Zikade: [Zikaden zählen bis Siebzehn]
Sinne
Sicherlich kennen Mittelmeerurlauber die typischen Gesänge der Singzikaden.
Zikaden sind in der Lage, Geräusche zu produzieren, wobei jedoch nur jene der bis zu 5 cm großen Singzikaden
für den Menschen hörbar sind. Hierzu besitzen sie ein eigenes Organ, das Trommelorgan (Tymbal) am Beginn
des Hinterleibs. Durch ansetzende Muskeln (Singmuskel) werden Schallplatten eingebeult,
die anschließend zurückschnellen ähnlich einer eingedrückten Blechdose. Direkt unter dem
Singmuskel sorgt ein großer Luftsack für die notwendige Resonanz.
Der Gesang der Männchen dient vor allem der Anlockung der Weibchen, er kann jedoch auch zur Festsetzung
von Reviergrenzen eingesetzt werden.
Bei den Singzikaden sind spezielle Gehörorgane ausgebildet. Bei den übrigen Zikaden spielt die Wahrnehmung
akustischer Reize eine geringere Rolle. Vielmehr sind sie am ganzen Körper mit Rezeptoren ausgestattet,
um Luftströmungen, Kontakte mit anderen Lebewesen oder den Pflanzenteilen auf denen sie sitzen wahrzunehmen.
Wahrscheinlich werden die von den Trommelorganen auf Pflanzenteile übertragenen Vibrationen als sogenannte
Substratvibrationen auf diese Weise aufgenommen.
Wer schnell mal reinhören will: [Musik]
Die Orientierung der Zikaden geschieht durch die Aufnahme von Umweltreizen. Ihre Facettenaugen vermögen sowohl
Formen als auch Farben zu erkennen und zu unterscheiden. Das ermöglicht ihnen Verfolger zu bemerken aber auch gezielt
Pflanzen anzufliegen. Sie scheinen sogar die Farbe ihrer Nährpflanzen zu erkennen und auch in der Lage zu sein den
Sitzplatz auf verbergende Gleichfarbigkeit zu beurteilen. Darüber hinaus verfügen Zikaden über sogenannte
Mechanorezeptoren zur Wahrnehmung von Berührungsreizen wie Luftströmungen, Kontakt mit dem Substrat u.a. an fast
allen Stellen des Körpers.
Ernährung
Die Ernährung der Zikaden erfolgt durch das Anstechen und Aussaugen bestimmter Pflanzenteile
quasi per Strohhalm. Sie sind auf bereits flüssige Nahrung angewiesen. Die meisten Arten saugen
speziell an den Leitungsbahnen der Pflanzen mit
zuckerreichem Saft (Ploem). Dabei nehmen sie aber deutlich mehr Zucker auf als sie verwerten können.
Der überschüssige Zucker wird ausgeschieden. Der sogenannte Honigtau wird vielfach von anderen
Insekten zum Beispiel Ameisen
aufgenommen. Auch der Xylemsaft (Wasser und Mineralsalze) oder Blattzellen werden als Nahrungsressource genutzt.
Die meisten Zikadenarten sind auf ganz bestimmte Nährpflanzen beschränkt. Die Gründe hierfür sind
in den meisten Fällen noch ungeklärt.
Die Breite des genutzten Pflanzenartenspektrums reicht von strenger Monophagie über Oligophagie bis hin
zur Polyphagie. Von den in Deutschland vorkommenden Arten leben etwa 60 % monophag. Sie nutzen
nur eine Pflanzenart (monophag 1. Grades) oder eine Pflanzengattung (monophag 2. Grades) als Wirtspflanze.
Etwa 25 % sind oligophag. Diese Zikaden nutzen nur eine Pflanzenfamilie (oligophag 1. Grades) oder maximal
zwei Pflanzenfamilien bzw. vier Pflanzengattungen aus maximal 4 Familien (oligophag 2. Grades).
Etwa 15 % der Zikaden Deutschlands sind polyphag. Jene nutzen mehrere Pflanzengattungen oder -familien.
Bei fast der Hälfte aller Arten ist die Eingruppierung aber noch unsicher.
Fortbewegung und Ausbreitung
Die häufigste Fortbewegungsart der Zikaden ist zweifelsohne das Laufen, die markanteste dagegen
das Springen. Zikaden besitzen speziell ausgebildete Hinterbeine. Die Schaumzikaden sind die
Weltmeister im Hochsprung. Dieses hat der Forscher Malcolm Burrows auf Hochgeschwindigkeitsfotos entdeckt.
Im Verhältnis zur eigenen Körperlänge kann kein Lebewesen so hoch springen wie die Schaumzikade.
Das Insekt ist einen halben Zentimeter lang und erreicht aus dem Stand heraus 70 Zentimeter Höhe.
Wir Menschen müssten umgerechnet auf unsere Körpergröße etwa 200 Meter hoch springen
können, um mit den Zikaden gleichzuziehen. Die Schaumzikade besitzt drei Beinpaare; Sprungenergie
liefert nur das hinterste Paar. In diesen Beinen kann das Tier wie in einem Katapult Spannung aufbauen
und dann entladen.
Mehr zum Sprungvermögen der Zikaden: [Hochsprungartisten]
Größere Distanzen werden werden entweder passiv über Verdriften durch den Wind zurückgelegt,
wobei meist keine gerichtete Ausbreitung erfolgt oder aktiv durch Fliegen überwunden.
Die meisten Arten sind flugfähig, sofern es sich um
langflügelige Individuen handelt. Bei sehr vielen Zikadenarten ist ein
Flügeldimorphismus zu beobachten. Es finden sich langflügelige (makroptere)
und kurzflügelige (brachyptere) Formen innerhalb einer Art, oft sogar innerhalb einer Population.
Die kurzflügeligen Tiere sind flugunfähig. Offenbar wird über die Umweltqualität
in der Larvalentwicklung entschieden, ob flugfähige Adulte (gute Nährpflanzenqualität, geringe Besiedlungsdichte)
oder flugunfähige Adulte (geringe Nährpflanzenqualität, hohe Besiedlungsdichte) entstehen.
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